Neue Ausgabe der Roten Linien

Wir veröffentlichen hier in Auszügen die aktuelle Ausgabe der Roten Linien – Kommunistische Stadtzeitung für Tübingen und Reutlingen. Die komplette Ausgabe als PDF gibt es zum Download.

DKP kandidiert als 100 % Friedenspartei

Auch wenn es den Bundeswahlleiter ärgert

Mit sieben rühmlichen Ausnahmen – Heike Hänsel aus Tübingen gehört dazu – hat die Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE Ende August 2021 einen bewaffneten Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan nicht mehr einheitlich abgelehnt. Fünf Abgeordnete dieser Fraktion stimmten sogar dafür. Die anderen enthielten sich. Das Verhalten der Linksfraktion war leider kein Ausrutscher. Es war ein höchst gefährlicher Schritt in Richtung Verabschiedung von der Rolle als parlamentarischer Arm der Friedensbewegung – und damit für die gesamte Wahrnehmung und Zukunft dieser Partei. Was ist die „Logik“ dahinter? WIR müssen doch diejenigen rausholen, die UNS geholfen haben – das ist wieder das WIR, das Friedenskräfte ins Boot des Imperialismus holt. Das WIR, das vergessen machen soll, was und wer die Situation in Afghanistan verursacht hat. Das WIR, das sagt, lass uns die Völkerrechtswidrigkeit des Einsatzes vergessen. Vergessen soll der Satz von der Verteidigung UNSERER Freiheit am Hindukusch sein, der offen den imperialistischen Anspruch des Einsatzes bekennt. Wer dieser „Logik“ nicht folgen will, gibt am 26. September 2021 seine Zweit-stimme der DKP.Dass die DKP überhaupt kandidieren kann, musste sie sich dieses Mal erkämpfen. Am 8. Juli hatte der Bundeswahlleiter mit einem hinterrücks eingefädelten Coup den Bundeswahlausschuss überredet, in einer 10:1-Abstimmung die DKP-Kandidatur nicht zuzulassen und damit der DKP den Status einer politischen Partei abzusprechen. Man erinnere sich: früher bekamen DKP-Kandidat/inn/en Berufsverbot im öffentlichen Dienst oder wurden zumindest zu einer „Anhörung“ zitiert – „freie Wahlen“, gell? Als Vorwand diente diesmal die verspätete Einreichung von Finanzberichten. Das Bundesverfassungsgericht (das in einem solchen Fall angerufen wer-den muss) stellte diesmal klar: Die DKP ist sehr wohl „in der Lage …, ernsthaft an der politischen Willensbildungdes Volkes für den Bereich des Bundes oder eines Landes mitzuwirken“ – und nur darauf kommt es an. Die rechtlichen Konstruktionen des Bundeswahlleiters wurden in allen Punkten zerpflückt und zurückgewiesen. Bemerkenswert an dem Vorgang: Erstens, nur ein Jurist, den die GRÜNEN in den Bundeswahlausschuss entsandten, hatte gegen den skandalösen Beschluss gestimmt – alle anderen zogen mit. Zweitens, die DKP erfuhr sehr viel Solidarität aus dem In- und Ausland. Nach wie vor sind die Kommunistischen Parteien, groß oder klein, international gut vernetzt. Auch Stimmen für die „kleine“ DKP bewirken etwas! Sonst wäre dieser plumpe Versuch, sie von der Wahl auszuschließen, gewiss nicht unternommen worden.

Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) wurde vor 65 Jahren, am 17. August 1956 verboten – Ein Verbot im Rentenalter

Die Redaktion Rote Linien sprach darüber mit Gerhard Bialas

Rote Linien (RL):
Gerhard, am 19. Oktober 1951 bist du in die KPD eingetreten. War da nicht schon das Verbotsverfahren gegen die KPD im Gange?

Gerhard Bialas:
Im Juni 1951 wurde die FDJ verboten. Im gleichen Jahr wurde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein Verfahren gegen die KPD eingeleitet. Davon ließ ich mich nicht einschüchtern. Meine Erlebnisse während der Naziherrschaft und dem 2. Weltkrieg brachten mich dazu, mich konsequent gegen die Wiederaufrüstung und Militarisierung in Westdeutschland einzusetzen. Die einzige Partei, die seit ihrer Gründung durch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ausnahmslos gegen Militarisierung und Krieg kämpfte, war die KPD. Sie war, nach dem 2. Weltkrieg und der Naziherrschaft, mit der FDJ die konsequenteste Kraft, die gegen die Remilitarisierung und für einen gesamtdeutschen Friedensvertrag und ein neutrales Deutschland eintrat. Da war es für mich logisch, mich dieser Partei anzuschließen.

RL:
Schon am 29. März 1951 sollte die Polizei auf Anweisung der Adenauer-Regierung in ganz Westdeutschland überfallartig gegen die Büros der KPD und gegen die Wohnungen von Funktionären vorgehen. Kam dir das nicht irgendwie bekannt vor? Wie konnte es verhindert werden?

Gerhard Bialas:
Im Jahr 1933 hat man zuerst die KPD verboten. Kommunisten wurden verfolgt, ihre Funktionäre in die Zuchthäuser und Konzentrationslager gesteckt. Dann folgte am 2. Mai 1933 der Überfall der SA und SS auf die Gewerkschaftshäuser. Und schließlich wurde im Juni 1933 die SPD verboten. 1951 konnte durch die Alarmierung und Warnung der Öffentlichkeit die Polizeiaktion und in Folge das KPD-Verbot noch nicht durchgeführt werden. Aber die Gefahr des KPD-Verbots bestand weiterhin.

RL:
Die Adenauer-Regierung ließ nicht locker?

Gerhard Bialas:
Ja, sie war bestrebt, die Wiederaufrüstung und allgemeine Wehrpflicht mit aller Gewalt durchzusetzen. Die KPD stand ihr – wie auch die FDJ – dabei im Weg. Die Wehrpflicht wurde mit aller Gewalt in die deutsche Jugend hineingeprügelt. Und dann setzte die Adenauer-Regierung schließlich das verfassungswidrige KPD-Verbot durch.

RL:
Wie habt ihr das in Tübingen erlebt?

Gerhard Bialas:
Am 16. August 1956 verteilten wir morgens um 6.30 Uhr noch einen Aufruf gegen das Verbot vor dem Montan-Himmelwerk. Am 17. August wurde das Verbotsurteil ausgesprochen. Ich – als damaliger Ortsgruppenvorsitzender – und ein weiterer Genosse (Edmund Offenburger) wurden beauftragt, das Büro, das sich in der Neckarhalde 22 befand, an die Polizei zu übergeben. Karl Hartmeyer aus Nehren kam nach seiner Schicht bei den Montanwerken dazu. Gegen Mittag kamen zwei Kripobeamte, die eigentlich bei der Mordkommission waren, und begannen damit, alles noch vorhandene Material zusammenzupacken. Bei einigen Genossen fanden Hausdurchsuchungen statt, Bücher und Zeitschriften wurden beschlagnahmt. Es war alles sehr bedrückend, weil ein Teil unseres politischen Lebens zerstört wurde. Aber niederdrücken ließen wir uns nicht.

RL:
Welche Auswirkungen hat das KPD-Verbot bis heute?

Gerhard Bialas: Das KPD-Verbot ist auch heute eine potentielle Bedrohung für kritische demokratische Kräfte. Deshalb bleibt die Forderung nach Aufhebung des Verbots aktuell, weil damit immer wieder Menschen, die sich für linke und sozialistische Politik einsetzen, bedroht und verfolgt werden können, wie nicht zuletzt am „Radikalenerlass“ und den zu Tausenden verhängten Berufs-verboten deutlich wurde.

Buchcover Gerhard Bialas

Über Gerhard Bialas, den bekanntesten Kommunisten Tübingens, ist zu seinem 90. Geburtstag ein Buch erschienen. Gekauft werden kann es für  12,50 € beim Fairen Kaufladen (Marktgasse 12, Tübingen), beim Verlag info@ho-lunderwerk.de oder beim UZ-Shop der DKP shop.unsere-zeit.de Tel. 0201-17788925. bialas.blogsport.de

 

 

 

 

 

 

Sind Sie gegen die Remilitarisierung?

Darüber die Menschen zu befragen, wurde 1951 verboten

Eine große Mehrheit der deutschen Bevölke-rung wollte nach dem 2. Weltkrieg und der Naziherrschaft endlich Frieden und lehnte eine Wiederbewaffnung Deutschlands entschieden ab. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer – er trat erst 1963 im Alter von 87 Jahren ab – sicherte den West-Alliierten schon 1949 einen militärischen Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik zu. Forderungen der Sowjetunion nach einem neutralen und vereinigten Deutschland – ähnlich wie Österreich – wurden abgelehnt. Die deutschen Konzernchefs und ihr politisch-militärisches Begleitpersonal wollten eine konsequente Westorientierung – einschließlich eigener Streitkräfte. Adenauer ging schrittweise vor. Erst wurde 1950 ein „Amt Blank“ eingerichtet als erster Schritt hin zu einem „Verteidigungsministerium“. 1951 folgte die Aufstellung des „Bundesgrenzschutzes“ als paramilitärische Polizeieinheit mit Schützenpanzern und Maschinengewehren. Gegen die Remilitarisierung formierte sich breiter, entschiedener Widerstand. Es entstand die „Ohne uns“-Bewegung, an der sich Hunderttausende beteiligten. Einige auch aus Tübingen.Der Protest reichte bis in die Regierungsparteien, auch Gewerkschaften und christliche Verbände riefen zur Beteiligung auf, berichtet Gerhard Bialas. Den entschiedensten Widerstand organisierte die Freie Deutsche Jugend (FDJ). Die Regierenden reagierten mit Repression und politischer Verfolgung. Es begann 1950 mit der Entfernung von Mitgliedern nicht für „verfassungstreu“ erklärter Organisationen aus dem öffentlichen Dienst. Gemeint war auch die VVN. 1951 wurde mit „Blitzgesetzen“ das Grundgesetz geändert und das politische Strafrecht eingeführt, mit den neuen Delikten „Staatsgefährdung“ und „Landesverrat“. 1951 wurde die Volksbefragung gegen die Remilitarisierung wegen „Bestrebungen zum Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung“ verboten. Trotz „Sind Sie gegen die Remilitarisierung?“ Darüber die Menschen zu befragen, wurde 1951 verboten Verhaftungen vieler Aktiver beteiligten sich bis zum März 1952 neun Millionen Menschen an der Volksbefragung und stimmten gegen die Remilitarisierung und für den Abschluss eines Friedensvertrags.1951 wurde die FDJ verboten, die in diesem Kampf eine zentrale Rolle einnahm. Sie hatte einen großen Anteil an der Gewinnung der westdeutschen Jugend für das Deutschlandtreffen 1950, an dem 30.000 Jugendliche aus dem Westen teilnahmen, und an den Weltjugendfestspielen 1951 in Berlin. Dies waren die Gründe. Auch ein Verbotsverfahren gegen die KPD wurde eingeleitet. „Jeder Protest ge-gen die Wiederbewaffnung soll-te erstickt werden, Anti-Kriegsaktionen wurden kriminalisiert, die Beteiligten zu oft jahrelangen Gefängnisstrafen verurteilt oder damit bedroht.“Die Tübinger FDJ ließ sich durch die staatlichen Repressionen nicht so schnell einschüchtern. Sie und die noch legale KPD machten in den folgenden Jahren viele Aktionen gegen die Remilitarisierung. So malten sie zum Beispiel Parolen wie „Allgemeine Wehrpflicht ohne uns“, Deutsche an einen Tisch“, „Fordert gesamtdeutschen Friedensvertrag“ an die große Wand der Unterführung unter der Umgehungsstraße in der Gartenstraße.„Hätte man uns damals gefolgt statt den Rüstungshaien und Kriegsgewinnlern, wären uns X-Milliarden für Militärausgaben und Rüstungskosten mit vielen Kriegseinsätzen erspart geblieben.“ Dann müssten wir nicht mehr für „Abrüsten statt Aufrüsten“, gegen die NATO-Pipeline und das NATO-Tanklager in Bodelshausen, gegen die Waffenschmiede Heckler und Koch in Oberndorf (Kreis Rottweil), gegen die US-Spezialkräfte und Oberkommandos für Europa (EUKOM), Nordasien und Afrika (AFRIKOM) im Stuttgarter Umland und gegen das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr in Calw mit seinen neonazistischen Umtrieben demonstrieren.

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