Neue Ausgabe der Roten Spritze – Mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen = Mehr Personal

Wir veröffentlichen hier in Auszügen die Rote Spritze aus dem November 2021 – Information des Branchenaktivs Gesundheitswesen der DKP-Stuttgart. Die vollständige Ausgabe gibt es als PDF.

Jetzt, da die Anzahl der Corona Patient*innen in den Kliniken und Intensivstationen wieder steigt ist die katastrophale Situation in den Krankenhäusern, vor allem für Pflegekräfte, aber auch Ärzt*innen wieder in aller Munde Am Anfang der Pandemie wurde für die Pflegekräfte noch geklatscht. Das macht heute niemand mehr, denn es würde als reiner Hohn empfunden. Seitdem ist nämlich nichts geschehen. So viele Intensivbetten wie vor eineinhalb Jahren lassen sich heute gar nicht mehr belegen – der Grund: es gibt zu wenig Pflegekräfte – ja, immer weniger, die bereit sind diese krankmachenden Arbeitsbedingungen auszuhalten und dafür viel zu gering entlohnt zu werden

Jetzt:

Entlastung und mehr Geld – Sonst kehren noch mehr Pflegekräfte dem Beruf den Rücken

500 € mehr für alle Pflegekräfte

Die Gewerkschaft ver.di forderte mit zwei Unterschriftenlisten, die am 16.11.21 dem Verwaltungsrat der Anstalt Klinikum übergeben wurden, monatlich 500 € Arbeitsmarktzulage für alle Pflegekräfte.
Da der Verwaltungsrat „nicht-öffentlich“ tagt lässt sich Protest nicht mehr so direkt äußern wie früher, als das Klinikum noch städtisch war und der Krankenhaus-Ausschuss des Stadtrats öffentlich tagte.
Nur eine Personalvertretung und eine Gewerkschaftsvertretung dürfen an den Sitzungen – ohne Stimmrecht! – teilnehmen.

In den somatischen Bereichen wird dem Krankenhaus im Rahmen des Pflegebudgets eine übertarifliche Vergütung finanziert, sofern es sachliche Gründe dafür gibt.

„Als sachlicher Grund wurde anerkannt, dass in Stuttgart der Arbeitsmarkt für Pflegepersonen eng, der Wettbewerb in einer Großstadt zugespitzt und der Wohnraum besonders teuer sei. Auch die Schwierigkeit sonst nicht genügend Personal für die Einhaltung rechtlicher Vorschriften zur Verfügung zu haben wurde als ausreichend sachlicher Grund anerkannt.“ (aus dem Text der Unterschriftenliste).

Im psychiatrischen Bereich gibt es dieselben sachlichen Gründe, das Klinikum müsste die Zulage hier aber selbst finanzieren.
Wer aber glaubt, dass sich ein Erfolg alleine mittels Unterschriftenlisten erreichen ließe, wird enttäuscht werden.

Entlastung und Arbeitsschutz

Der Personalrat versucht mittels einer Dienstvereinbarung die ständige Gefährdung des Personals (und damit auch der Patient*innen) zu begrenzen. Dazu soll verbindlich festgelegt werden wie viele Patient*innen mit wie viel Personal behandelt werden können. Ist das Personal nicht ausreichend vorhanden, müssten als Konsequenz Betten gesperrt werden. Muss trotzdem in unterbesetzten Schichten gearbeitet werden, soll es für das Personal Belastungspunkte geben, die in Freizeit ausgeglichen werden können.
Auch das lässt sich nicht nur mittels Verhandlungen, die im Zweifelsfall immer mehr in die Länge gezogen werden können, erreichen, sondern nur wenn die Kolleg*innen mobilisiert werden, Aktionen vorbereitet werden, öffentlicher Druck aufgebaut wird und dem Verwaltungsrat klar aufgezeigt wird, dass es ohne Entlastung so nicht weitergehen wird.

Und als nächstes: Zulage für alle

In einem nächsten Schritt müsste die Gewerkschaft konsequenterweise diese Zulage auch für alle anderen Bereiche – Reinigung, Küchen, Transportdienst, Pforten, Technik, Steri usw. – fordern. In diesen Bereichen ist zwar der Arbeitsmarkt nicht so „eng“, das Leben und Wohnen in Stuttgart aber genauso teuer.

Überall: Kämpfe um Geld und Entlastung in den Krankenhäusern – vielerorts Streiks

Bei der Charité und Vivantes in Berlin errangen die Kolleg*innen nach mehr als einem Monat Streik entsprechende Vereinbarungen, die nun ausgearbeitet werden und zum 1.1.2022 in Kraft treten sollen.
Im Osten, im ehemaligen Gebiet der DDR geht es immer noch um die Angleichung der Löhne an das Westniveau. Sie streiten dafür, dass der TVöD auch für sie gilt und die Arbeitszeit reduziert wird. Auch dort wird an vielen Orten gestreikt.
In den Tarifverhandlungen der Länder geht es derzeit um 5 % mehr Lohn und 300 € mehr im Monat für Gesundheitsbeschäftigte.
Doch der Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) Hilbers von der CDU sagt klar, dass das für ihn nicht in Frage kommt. Die Krankenhausbeschäftigten seien lediglich „zeitweise belastet“ gewesen und Fachkräftemangel gebe es höchstens in „Spezialbereichen“. Der Mann hat der Realität offenbar abgeschworen.

Kommerzialisierung des Gesundheitswesens

Es spricht Bände, wenn sogar der Präsidenten der Bundesärztekammer Reinhardt auf dem Anfang November stattgefundenen Deutschen Ärztetags als Ursache der Misere die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens ausmacht.
Denn, so Reinhardt, die kaufmännische Geschäftsführung der Kliniken sei daran interessiert mit möglichst wenig Personal möglichst viele Fälle in kurzer Zeit zu behandeln.
Genau das ist nach kapitalistischem Zwang im freien Markt aber das Ziel: Die Gesundheitsversorgung und die Krankheiten werden zur Ware, frei handelbar. Ziel ist die Erwirtschaftung von Gewinn um jeden Preis und die Ausschaltung von Konkurrenz.
Weiter Reinhardt: Es brauche Eindämmungsmaßnahmen gegen die zunehmende Kommerzialisierung. „Krankenhäuser sind keine Industriebetriebe und Ärzt*innen und Patient*innen keine Glieder einer Wertschöpfungskette.“
Und: die Vergütung der Krankenhäuser müsse sich nach dem tatsächlichen Versorgungsbedarf richten und alle direkt in der Patient*innenversorgung tätigen Beschäftigten aus der Fallpauschalen-Finanzierung ausgegliedert werden.
Viele Krankenhäuser würden nur funktionieren, weil Mediziner*innen aus aller Welt nach Deutschland geholt würden, wodurch global betrachtet in anderen Ländern Versorgungsengpässe entstünden. Das sei nicht gerecht
Die Forderung der Bertelsmann-Stiftung von 2019 die Zahl der Kliniken von ca. 1900 auf ca. 600 große Krankenhäuser zu reduzieren sei überholt.
Dass dies der Präsident der Bundesärztekammer sagt ist erstaunlich, es bleibt dabei aber darauf begrenzt die schlimmsten Auswirkungen der Kommerzialisierung abzudämpfen, ohne konsequent auch die Systemfrage zu stellen, denn das Grundproblem ist die kapitalistische Produktionsweise. Nicht nur im Gesundheitswesen, auch beim Klimawandel, bei Hunger, Krieg und Ausbeutung.

Eine Frage des Systems

Aus der Dokumentation in der DKP-Zeitung Unser Zeit (UZ) – „Keine Profite mit unserer Gesundheit“ Unsere Aufgaben
„Unsere Aufgabe als Kommunistinnen und Kommunisten ist es, über die Profiteure im Gesundheitswesen aufzuklären und sie beim Namen zu nennen. (…)
Die Ausweitung des Niedriglohn-Sektors in der BRD führt zu massiv reduzierten Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Notwendig sind höhere Löhne, die Schaffung einer Einheitskasse für alle, die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze und eine Gesundheitsabgabe der Unternehmen über die paritätische Finanzierung des Krankenkassenbeitrags hinaus (…)
Die Arzneimittelproduktion muss wissenschaftlich und an den Bedürfnissen der Arbeiterklasse und der Gesamtbevölkerung ausgerichtet sein. Hierzu muss sie, inklusive Forschung, der Verwertungslogik entzogen werden.
Die ökonomischen Anreize führen zu Fehlversorgung, Unterversorgung und zum Einsatz gefährlicher Medikamente. (…)
Der gesamte Bereich der Gesundheitsversorgung, einschließlich der Pharmaindustrie, gehört in öffentliche Hand unter demokratische Kontrolle.

Admin