Neu Ausgabe der Roten Spritze – Krankenhausschließungen
Wir veröffentlichen hier in Auszügen die Rote Spritze vom Juni 2021 – Information des Branchenaktivs Gesundheitswesen der DKP-Stuttgart. Die vollständige Ausgabe gibt es als PDF.
Kliniken „sterben“ nicht – Sie werden kaputtgespart
Es sind nicht kleine „Sparkommissare vor Ort, die die Zerstörung der bestehenden Krankenhaus-Struktur betreiben. Es ist eine ganz große Koalition der systemtragenden Parteien und Ihrer Think-Tanks – bis in die Vorstände der Krankenkassen und der großen Klinik-Konzerne. Und es ist ein langfristiger Plan, der da rigoros durchgezogen wird.
Im Februar 2005 brachte das Unternehmer-Beratungsunternehmen Ernst & Young unter dem Titel „Gesundheitsversorgung 2020 konzentriert, marktorientiert, saniert“, auf den Punkt, was seit langem hartnäckig verfolgt wird.
Einige ihrer Schlüsselpositionen:
- „Entbürokratisiert: Weniger Staat und mehr Markt“
- „Privatisiert: Das faktische Ende der GKV“ (also der gesetzlichen Krankenversicherung)“
- „Aussortiert: Jede 4. Einrichtung vom Markt gefegt“.
Der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina waren die Kürzungen der Krankenhauszahlen immer noch nicht genug. In ihrem Thesenpapier heißt es: „Hätte Deutschland die Krankenhausstruktur von Dänemark mit einem Krankenhaus pro 250 000 Einwohner, wären es bei uns 330“. Dass Dänemark eine ganz andere geografische Struktur und eine völlig andere Krankenhausstruktur hat, wird dabei ignoriert.
Das sind nicht nur Planspiele!
die erforderlichen „Sachzwänge“ werden systematisch geschaffen
Es ist die Grünen / CDU Landesregierung, die beharrlich ihre gesetzliche Pflicht nicht erfüllt, die Kosten der Krankenhäuser für Bauten und den Unterhalt sowie die Investitionen zu tragen. Die Bundesländer haben die Investitionsförderung in den letzten 20 Jahren halbiert, während der Bedarf um ein Drittel gestiegen ist. Die Folge ist eine grassierende Verschuldung vieler Kliniken, die unter der Zinslast ersticken. Endstation ist oft Privatisierung oder Schließung.
Bis 1984 war es verboten, dass Krankenhäuser Gewinne machten. Es war die CDU / FDP Bundesregierung, die damals für die Kliniken das Gewinn-und Verlustsystem einführten und der Privatisierung Tür und Tor öffnete.
Es war die SPD / Grünen Bundesregierung, die von 1999 bis 2002 schrittweise einführte, dass Krankenhäuser nicht mehr nach tatsächlichem Bedarf, sondern pauschal nach vorgegebenen Diagnoseschemata vergütet werden (Fallpauschalen). Um konkurrenzfähig zu sein sind diese gezwungen so wenig Aufwand wie möglich zu betreiben, oft auf Kosten unzureichender Behandlung und Pflege. Wer das nicht macht, macht Verluste. Wer Verluste macht, dem droht das Aus.
Warum Gemeineigentum verschleudert wird
Krankenhäuser haben (wie viele andere Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge) einen hohen materiellen Wert.
Wieso werden sie von den Trägern der öffentlichen Hand einfach plattgemacht oder an Privatkonzerne verramscht?
Das hat nicht nur mit dem Wahn neoliberal verbohrter CDU/CSU/FDP/SPD/GRÜNE/AFD-Privatisierungs-Fetischisten zu tun, die um jeden Preis den scheinbaren Beweis erbringen wollen, dass offensichtlich halt gar nichts funktioniert, wenn nicht jemand sein Geschäft damit machen kann.
Für den Profit der Superreichen gehen sie über Leichen
Schon vor der Corona Krise war die Wirtschaft in einer tiefen Krise, haben sich die Meldungen über Stellenabbau förmlich überschlagen. Hotspots waren Audi, Bosch, Brose, Continental, Daimler, Harmann, Mahle, Opel, Schuler, Thyssen-Krupp, Voith. Erinnert sei auch an die Schlecker-Pleite, an Karstadt-Kaufhof, an die Thomas-Cook / Neckarmann – Insolvenz (eine unvollständige Aufzählung.
Kapitalisten und Regierungen jeder Couleur (verschärft seit der SPD/Grünen Agenda 2010) haben seit langem Deutschland zum Billiglohnland gemacht. Laut der DGB-nahen Hans-Böckler Stiftung leben 10 % der Beschäftigten in Armut.
Weil die Menschen nicht kaufen können was sie produzieren verschärft sich die Überproduktionskrise. Auch die hohen Exportüberschüsse haben das Problem nicht dauerhaft gelöst.
Zur Absicherung der Konkurrenzfähigkeit sponsert der Staat die großen Monopolkonzerne und Banken mit ungeheureren Summen. Waren es 2008 (als die Krise noch „Finanzkrise“ hieß noch ca. 400 Milliarden für „Bankenrettung“, kassierten vor allem Großkonzerne anlässlich der „Corona-Krise“ über 1 Billion. Dieses Geld muss ja irgendwo her kommen.
Sparen!! Koste es was es wolle!
Für sie ist die öffentliche Daseinsvorsorge „lästiger Ballast“, den sie loswerden wollen
Es ist schlicht Demagogie, wenn sie uns weismachen wollen, die Sozialausgaben seien zu teuer, deshalb erfolge die Demontage. Alljährlich begeht der Bund der Steuerzahler den „Steuergedenktag“. Das ist der Stichtag, an dem rechnerisch der Normalsterbliche aufhört für den Staat – und anfängt für sich selbst zu arbeiten. Letztes Jahr war das der 9. Juli!! Nachdem die Unternehmer aus unserer Arbeit Profit geschlagen haben, arbeiten wir also mehr als die Hälfte der Zeit für den Staat. Aber alle öffentlichen Leistungen müssen wir noch einmal bezahlen, möglichst mit Gewinnspanne. So soll auch das Gesundheitswesen nichts kosten, sogar möglichst profitabel sein. Und wo das nicht vollständig geht, werden die „Verlustbringer“ abgestoßen, koste es die Allgemeinheit, was es wolle. Z.B. hat die Stadt Offenbach ihre Klinik für einen Euro an die SANA verkauft und sogar noch die Schulden übernommen. Das Land Hessen hat das Universitätsklinikum Gießen und Marburg verkauft. Das Klinikum Stuttgart hat seine Personalwohnheime an die SWSG verscherbelt zum Nachteil der Mieter/Innen.
Krankenhausschließungskosten gehen in die Defizit-Berechnung mit ein, mit der Klinikschließungen begründet werden. Dieses Defizit ist dann Grundlage für die Mittel, mit denen Klinikschließungen aus dem Krankenhaus-Strukturfond gefördert werden. Und dieser wird aus der Liquidität des Gesundheitsfonds gespeichert, in den alle unsere Beiträge zu den gesetzlichen Krankenkasseneinfließen. Wir zahlen also das Krankenhaussterben selbst.
Die große (verun)-Treuhand
Wo immer Umverteilung stattfindet wird nicht nur den Einen etwas gegeben, es wird auch den Anderen etwas genommen. Die Herrschenden tun gerne so, als würden sie die ungeheureren Steuereinnahmen treuhänderisch im Interesse der Bevölkerung verwalten. Aber das ist ein Märchen.
Der Staat und die Monopolkonzerne sind tief miteinander verfilzt. Finanzoligarchen drängen in Regierungsämter – Spitzenpolitiker wechseln beliebig in Konzernzentralen. Steuerhinterzieher werden gedeckt. Eine Hand wäscht die andere. Es ist bekannt, dass Wirtschaftslobbyisten als Berater die Gesetzentwürfe schreiben, die (wenn sie dann beschlossen sind) ihren Auftragsgebern zugute kommen.
Dieses System hat einen Namen…
man nennt es Staatsmonopolistischen Kapitalismus
Ohne staatliche Umverteilung hat dieses System keine Zukunft. Mit diesem System hat die Masse der Bevölkerung keine Zukunft. Schaffen wir es ab, bevor es uns abschafft!
Im Herbst 2020 (mitten in der Corona-Krise) forderten „das Barmer Institut für Gesundheitsforschung“, die “Robert Bosch Stiftung“ und die „Bertelsmann Stiftung“ in einem Richtungspapier dramatische Kapazitätsverringerungen im Krankenhaussektor.
Autor/Innen sind Prof. Boris Augurzky, Prof. Reinhard Busse, Prof. Ferdinand Gerlach und Prof. Gabriele Meyer. Alle drei zählen zusammen mit Prof. Jonas Schreyögg zu den engsten Berater/Innen sowohl von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, als auch von seinen Kolleg/Innen in den Ländern.
Aus diesem erlauchten Kreis stammt auch eine Forderung nach einer Reduzierung der Zahl der Krankenhäuser um zwei Drittel.
Die genannten Think-Tanks sind wiederum mit den Privaten Klinik-Konzernen verbandelt. Z.B. ist in der Bertelsmann Stiftung Frau Mohn (das in der Stiftung für Gesundheit zuständige Vorstandsmitglied) auch Aufsichtsratsmitglied eines der größten Krankenhauskonzerne, der Rhön-Kliniken.
Es geht auch anders!
Der Erhalt kleiner Krankenhäuser steht nicht im Widerspruch zu notwendigen Spezialbehandlungen.
Wohnortnah: kleine Krankenhäuser können eine schnell erreichbare Anlaufstelle bei akuten Erkrankungen sein. Wenn sich erweist, dass dort die erforderlichen technischen und/oder qualitativen Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung nicht gegeben sind, ist eine Verlegung in eine andere Klinik kein Problem, wenn dem nicht Profit-Konkurrenz entgegensteht.
Nach erfolgreicher Behandlung dort, ist oft eine Rückverlegung zur pflegerischen Weiterversorgung bis zur vollständigen Genesung angebracht. Die Nähe zum Wohnort, die dadurch möglichen intensiven Kontakte zu Angehörigen und Freunden ist in der Regel gesundheitsfördernd.
Wenn Diese nicht weite Wege für ihre Besuche zurücklegen müssen, schont das im Übrigen die Umwelt durch Vermeidung unnötigen Verkehrsaufkommens.
Dass ein solches Konzept keine Utopie ist, hat das vorbildliche Gesundheitssystem der DDR mit seiner auf die Poliklinik-Grundstruktur aufbauenden Krankenhaus-Landschaft gezeigt. Dort herrschte aber kein Konkurrenzdruck zur Erzielung maximaler Profite.
Klinikkonzerne sind keine Alternative zur öffentlichen Gesundheitsversorgung
Deutschland steht mit der Zahl der privatisierten Krankenhausbetten weltweit an der Spitze, noch vor den USA!
Es ist ja nicht so, dass Privatkliniken den „Sicherstellungsauftrag für die Krankenhausversorgung“, den die Gemeindeordnung Baden-Württembergs den Kommunen auferlegt, erfüllen könnten oder wollten.
Die meisten spezialisieren sich auf „lukrative Krankheiten“ die nach den DRG-Fallpauschalen überdurchschnittlich vergütet werden. Die allgemeine „Flächenversorgung“, die alles abzudecken hat, was anfällt (auch wenn es nicht profitabel ist), bleibt an den öffentlichen Krankenhäusern hängen, die sie aber absehbar bald nicht mehr erfüllen können, wenn der Kahlschlag nicht gestoppt werden kann.
Hinzu kommt, dass z.B. die SANA in Riedlingen ihre Klinik einfach geschlossen hat, ohne (Sicherstellungsauftrag hin oder her) den Gemeinderat auch nur zu informieren.
Hinzu kommt, dass z.B. die SANA erst die Service Dienste in ihren Einrichtungen in eine Service-Gesellschaft ausgegründet und diese dann geschlossen hat.
Tausend Kolleg/Innen werden so arbeitslos gemacht. Die Tätigkeiten werden wahrscheinlich künftig von mehr oder weniger obskuren Subunternehmen (womöglich mit prekär-Beschäftigten) erledigt. Qualitäts-Standards sind in Gefahr.
Hinzu kommt: Private Kliniken beuten ihre Beschäftigten oft ohne Tarifvertrag über die Grenzen des Erträglichen aus.
Da wird die bessere Versorgungsqualität, die angeblich aus dem Gesundheitswesen-Kahlschlag entspringen soll, vollends zur Farce.
Erfolgreicher Widerstand ist möglich!
Lokalpolitiker lenken oft davon ab, dass es sich bei dem Kahlschlag der Krankenhäuser um eine Gesamtstrategie handelt.
Um eine Enteignungsstrategie des gemeinnützigen Gesundheitswesens zum Nutzen der Super-Reichen.
Sie jammern über leere Kassen und verschweigen wer sie leer gemacht hat und weiterhin leert. Sie beklagen „Sachzwänge“ und sagen nicht, woher diese kommen.
Oft bejammern vor Ort, Politiker der Parteien „die Not“, die von Politikern der gleichen Parteien systematisch geschaffen wird. Oft arrangieren sie sich nicht nur mit „den Gegebenheiten“, sondern lassen sich sogar vor diesen Karren spannen. Oft werden so aus „Kritikern der Zustände“ eifrige „Verfechter der Maßnahmen“. Sie bekämpfen diese nicht, sondern setzen sie aktiv durch. Das ist die klassische Rolle des Opportunismus.
Nicht selten führt genau das dazu dass Gegner der Maßnahmen kapitulieren und sich in mit dem „Unvermeidbaren“ abfinden.
Aber das ist nicht immer und nicht überall so. Immer öfter führt Widerstand zum Erfolg, werden Schließungen oder Privatisierungen verhindert, oder müssen rückgängig gemacht werden.